Sonntag, 10. Februar 2008

Adamstown / Bounty Bay / Pitcairn


Sonnenaufgang ist heute um 06:20 Uhr. Nach dem ausgiebigen Sonntags-Frühstück, zu dem heute frisch gebackene Crêpes angeboten werden, hat TS MAXIM GORKI pünktlich um 10:00 Uhr vor der Bounty Bay auf der Nordostseite von Pitcairn den Anker fallen lassen. In den vergangenen drei Nächten seit dem Verlassen der Osterinsel wurden die Uhren jeweils um eine Stunde zurückgestellt. Der Zeitunterschied zu Deutschland beträgt also inzwischen minus neun Stunden. In Deutschland ist es nun also schon 19:00 Uhr. 1120 Seemeilen bzw. 2074 Kilometer und zwei Tage auf See liegen seit dem Verlassen der Osterinsel hinter uns. Bei unserer Ankunft zieht ein südseetypischer Tropenschauer durch. Aber die Wetter- und Seevorhersagen für den heutigen Tag sehen recht vielversprechend aus.

Blick auf Adamstown (Mitte) und den Anleger (links)

Bereits am vorausgegangenen Seetag wurden alle Gäste von Kreuzfahrtdirektor Winfried Prinz im Rahmen des Lektorates „Die Kinder der Bounty – Ein Dia-Vortrag über Pitcairn“ sehr ausführlich über die Geschichte und Besonderheiten von Pitcairn informiert. Bei den etwa 50 Bewohnern der Insel handelt es sich um Nachfahren der legendären Meuterer der Bounty. Ihre Vorfahren landeten hier im Januar 1790, versenkten die Bounty und wurden sesshaft. Durch die extreme Abgeschiedenheit der Insel erhoffte man sich nicht von der britischen Admiralität gefunden zu werden und so einer Bestrafung zu entgehen. Noch heute ist Pitcairn -von den üblichen Telekommunikationsmitteln und dem Internet abgesehen- weitestgehend von der Außenwelt isoliert. Die nächsten bewohnten Inseln befinden sich in ungefähr 2.000km Entfernung. Es gibt keinen Flughafen. Einmal pro Quartal läuft ein Versorgungsschiff aus Neuseeland kommend die Insel an und bringt Lebensmittel, Post, usw.. Das Versorgungsschiff ist auch die einzige Möglichkeit der Personenbeförderung von und nach Pitcairn. Im Fall eines größeren medizinischen Notfalls auf der Insel würden zufällig vorbeifahrende Schiffe jeglicher Art kontaktiert und für den Krankentransport genutzt. Die nächste Klinik befindet sich im gut 2.000km entfernten Papeete auf Tahiti in Französisch-Polynesien. Wenn überhaupt, dann sind für die Gäste der MAXIM GORKI nur individuelle Spaziergänge möglich. Organisierte Ausflüge werden nicht angeboten. Eine Anlandung auf Pitcairn ist allerdings vom Wetter, dem Seegang am Ankerplatz und der Brandung am Anleger der Bounty Bay abhängig. Die Wetter- bzw. Seevorhersagen müssen selbstverständlich für die Dauer des gesamten Aufenthaltes gleichbleibend gut sein. Sollten die Wetter- und Seeverhältnisse keine Ausbootung der Gäste zulassen, so werden die Pitcairner an Bord der MAXIM GORKI kommen, einen Basar mit allerlei Handarbeit- und Souvenirartikel aufbauen und für Gespräche mit den Gästen zur Verfügung stehen. Eine weitere Besonderheit ist, dass keine bordeigenen Tenderboote eingesetzt werden dürfen. Die Einwohner holen uns stattdessen mit ihren Langbooten ab und bringen uns auf die Insel. Da diese Boote eine deutlich geringere Kapazität als die Tenderboote haben, wird das Ausbooten sehr viel Zeit und Geduld in Anspruch nehmen. Aufgrund der nicht zu unterschätzenden Dünung ist ein Aufbau einer Tenderplattform samt Gangway wahrscheinlich nicht möglich. Stattdessen müssen alle aussteigenden Gäste über eine Jakobsleiter von der MAXIM GORKI auf die kleinen Boote der Einheimischen herunterklettern. Mit einem beherzten Griff von zwei hilfeleistenden Einheimischen wird man dann in die Boote gezogen und muss sich in diesen sofort auf den Boden setzen. Es gibt weder Sitze noch Bänke. Diese Prozedur bedeutet wiederum, dass man auch nach dem Landgang über die Jakobsleiter wieder auf die MAXIM GORKI hinaufklettern muss, wobei man dann von zwei kräftigen Crewmitgliedern in das Schiff hineingezogen wird. Es wird eindringlich appelliert, dass nur sportliche Gäste mit einer guten körperlichen Beweglichkeit an Land gehen.

Schon nach kurzer Zeit nähert sich das erste Langboot mit einigen Einheimischen. Da immer noch nicht klar ist, ob überhaupt und wenn ja, wie viele Passagiere an Land dürfen, wird die Galerie vor dem Musiksalon kurzerhand in einen Handarbeit- bzw. Souvenirartikelmarkt verwandelt. Die Einheimischen bieten hier ihre Produkte an. Der Verkauf von Souvenirartikeln ist eine nicht zu unterschätzende und extrem wichtige Einnahmequelle für die Pitcairner, die ansonsten hauptsächlich vom Fischfang und der Landwirtschaft zur Selbstversorgung leben.

Nach einiger Zeit haben sich Wetter- und Seeverhältnisse so verbessert, dass Kapitän Vladimir Yakimov, Kreuzfahrtdirektor Winfried Prinz und die Insulaner ihr Einverständnis zum Ausbooten geben. Allerdings wird nochmals ausdrücklich an die sportliche und körperliche Konstitution der Gäste und deren gesunde Selbsteinschätzung appelliert. Kapitän Yakimov erlaub aufgrund der Kraftanstrengungen auf der Jakobsleiter zunächst nur das Ausbooten männlicher Passagiere. Nachdem mehrere Ausbootungen erfolgreich absolviert wurden dürfen dann auch Frauen die MAXIM GORKI verlassen. Als wir uns dem Anleger in der Bounty Bay nähern sehen wir, dass die Brandung doch deutlich stärker ist, als es von der MAXIM aus erkennbar war. Neben den hohen Wellen der Brandung sind wir von der äußerst üppigen Vegetation der Insel fasziniert.

Hier liegen also die Reste des Wracks der legendären H.M.S. BOUNTY, die im Januar 1790 von den berüchtigten Meuterern unter der Anführung von Fletcher Christian an dieser Stelle auf Grund gesetzt und schließlich angezündet wurde.

Von hier unten führt eine asphaltierte Straße, die Main Road, steil bergauf nach Adamstown, der einzigen Siedlung auf Pitcairn. Die sportlichen Landgänger meistern den Aufstieg zu Fuß. Diejenigen, denen der Aufstieg zu anstrengend erscheint, werden von den Einheimischen für ein paar Dollar per Quad-Taxi hinaufgefahren. Von Adamstown aus hat man einen grandiosen Ausblick auf die Bounty Bay und dem Anleger "The Landing".

Blick auf Bounty Bay. In dieser Bucht liegen die Überreste der BOUNTY.

Der zentrale Platz von Adamstown ist „The Square“. Rund um diesen kleinen Platz befinden sich u.a. die Verwaltung von Pitcairn, das Gericht, das Gemeindehaus, die Bücherei, die Post, ein Museum über Pitcairns Geschichte, die Kirche und öffentliche Toiletten.

Der Anker der H.M.S. Bounty

Etwa fünf Fuß-Minuten nördlich von „The Square“ gelangt man zu einer alten Bord-Kanone der H.M.S. BOUNTY. Dem aufmerksamen Beobachter fällt hier übrigens die Bezeichnung H.M.A.S BOUNTY auf. Bis heute ist durchaus umstritten, wie die BOUNTY seinerzeit wirklich bezeichnet wurde. H.M.S. stand für „His Majesty’s Ship“. H.M.A.S. war hingegen die Bezeichnung für “His Majesty’s Armed Ship“. Zur damaligen Zeit waren die Schiffe der britischen Admiralität mit der Bezeichnung H.M.S. in sechs Klassen unterteilt. Diese unterschieden sich durch die Größe, Bewaffnung und Besatzungsstärke. Kleinere Schiffe, die nicht in diese Klassifizierung fielen, trugen die Bezeichnung H.M.A.S..

Hier verlassen wir die Main Road und laufen einige Meter in östliche Richtung zum Friedhof von Pitcairn.

Adamstown ist nach dem geistigen Gründungsvater der Siedlergemeinschaft, John Adams (* 4. November 1766), benannt. Er heuerte ursprünglich unter dem falschen Namen Alexander Smith auf der Bounty an; möglicherweise, weil er unter seinem richtigen Namen als Straftäter bekannt war. Er war seit Dezember 1800 der einzige noch überlebende männliche Meuterer der Bounty. Er missionierte die Inselgemeinschaft und leitete sie nach christlichen Werten. Er starb am 5. März 1829. Außerhalb des heutigen Friedhofs, etwa zehn Fuß-Minuten weiter in nördliche Richtung, befindet sich das Grab des Meuterers John Adams, seiner Frau und seiner Tochter.

Etwa fünf weitere Fuß-Minuten nordwestlich von John Adams Grab liegt die Schule von Pitcairn. In deren Hintergrund erhebt sich ein Berg. In diesem befindet sich eine kleine Höhle, die Christian´s Cave. Von hier aus hatte der Anführer der Meuterer, Fletcher Christian, Ausschau nach den gefürchteten Schiffen der britischen Admiralität gehalten.

School house - Die Schule von Pitcairn (im Hintergrund ist Christian´s Cave zu erkennen)
Blick auf Christian´s Cave (rechts oben)
The Lodge and the Hostel
Blick auf Adamstown und die Bounty Bay

Um 15:30 Uhr bringt das Langboot der Einheimischen die letzten Gäste zurück zur MAXIM GORKI. Inzwischen hat sich die See sogar soweit beruhigt, dass die Gäste nicht mehr über die Jakobsleiter an Bord klettern müssen. Stattdessen steht nun die Tenderplattform samt Gangway zur Verfügung. Pünktlich um 16:00 Uhr hebt TS MAXIM GORKI den Anker und nimmt Kurs auf unser nächstes Ziel, dem Rangiroa Atoll im Tuamotu-Archipel in Französisch-Polynesien. 1175 Seemeilen bzw. 2176 Kilometer und zwei weitere Tage auf See liegen nun bis zum Rangiroa Atoll vor uns. Pitcairn verschwindet allmählich im Kielwasser.

Nach diesem abenteuerlichen und durchaus sehr emotionalen Landgang verläuft der restliche Tag an Bord eher gemächlich. Um 16:00 Uhr beginnt die Internationale Kaffee- und Teestunde im Musiksalon, zu der Nandor Nagy am Klavier unterhält. Um 19:00 Uhr öffnen die Restaurants zum Abendessen. Währenddessen ist um 19:29 Uhr Sonnenuntergang und eine weitere tropische Nacht bricht an. Um 21:00 Uhr veranstaltet DJ Christian auf dem Sonnendeck an der Neptun Bar einen heiteren Karaoke-Abend unter dem Motto „Musik von Gästen für Gäste“. Und schließlich werden um 22:30 Uhr an der Neptun Bar noch Chicken Wings als Late-Night-Snack serviert. Und so neigt sich auch der heutige Tag so langsam dem Ende entgegen.


Während der beiden bevorstehenden Seetage werden wiederum die üblichen Kurse und Animationsprogramme angeboten. Auch Bordlektor Dr. Wolfgang Losacker gibt weiterhin interessante Vorträge über die Geschichte und Kultur Polynesiens. Kreuzfahrtdirektor Winfried Prinz hält eine äußerst interessante Plauderstunde über die Geschichte der MAXIM GORKI. So berichtet er z.B. ausführlich über die schwere Havarie im Eismeer vor Spitzbergen im Juni 1989, das Gipfeltreffen von Malta am 2. und 3. Dezember 1989, anlässlich dem sich der damalige US-Präsident George H. W. Bush und der damalige Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion Michail Gorbatschow an Bord trafen, etc.. So wird dann folglich auch im Maxim Theater der Dokumentarfilm „Die schwersten Stunden der Maxim im Eismeer – Eine Dokumentation über die Kollision im Eismeer im Jahr 1989“ gezeigt. Foto-Lektor Harald gibt ebenfalls weiterhin Workshops zum Thema Digitalfotografie. Die Highlights der Abendprogramme sind der grandiose Soloabend von Xylophon- und Panflöten-Virtuose Vasco Ciobanu, der das Motto „Da staunen ihre Ohren“ trägt. Das Highlight des Abendprogramms ist aber sicherlich die Crewshow „Russischer Abend“. Die russische und ukrainische Besatzung (allesamt keine Künstler, sondern Mitarbeiter aus allen Bereichen der MAXIM) lädt alle Gäste zu einem Abend mit Musik, Gesang und Tänzen aus ihrer Heimat ein und bringt den Gästen die Kultur und die Seele der beiden Länder eindrucksvoll näher.


Da nun wieder zwei erholsame Seetage bevorstehen, wird dieser Reisebericht mit der Ankunft im Rangiroa Atoll am Mittwoch, den 13. Februar 2008 fortgesetzt.



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